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Wider die Rede vom »Postfaktischen«

Das momentane Getue um das angeblich »Postfaktische«, das sogar zum »Wort des Jahres 2016« erklärt wurde und für das die sozialen Medien verantwortlich gemacht werden, ist nichts anderes als Ablenkung von der Wirklichkeit der selbsternannten Qualitätsmedien und somit Verdummung der Bürger. Da wird so getan, als hätte zum Beispiel die Springerpresse – allen voran BLÖD und BZ – sich je um Fakten gekümmert. Die sind ihnen doch schon immer am Arsch vorbeigegangen. Und Alfred Hugenberg hat es nach dieser Lesart auch nie gegeben. Sehr schön hat Michael Schetsche dieses ideologische Konstrukt des »Postfaktischen« in der Telepolis auseinandergenommen: Wider die Rede vom »Postfaktischen.

Was kulturell jeweils als wahr gilt, ist kein ideeller Reflex einer irgendwie gearteten objektiven Realität (die Idee der Objektivität selbst ist eine Erfindung der modernen Wissenschaft – siehe Daston & Galison 2007), sondern Ergebnis gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse (dies könnte seit Berger & Luckmann 1969 bekannt sein). Und an dieser Konstruktion waren in den letzten zwei Jahrhunderten Massenmedien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen ganz wesentlich beteiligt. […] Mit dem Aufstieg des Internets sind die traditionellen Leitmedien nicht mehr die unangefochtenen Konstrukteure von Wirklichkeit (siehe Merten u.a. 1994). Was sie, etwa die Tagesschau täglich um 20 Uhr, als »zutreffend und wahr« verkünden, erhält nicht mehr automatisch den Status kulturell unstrittigen orthodoxen Wissens.

Aus Angst vor dem Verlust der Deutungshoheit drehen die Leitmedien nun durch. So fordert allen Ernstes die WDR-Chefredakteurin Sonia Mikich in einem Kommentar in den Tagesthemen eine Selbstverpflichtung von Facebook und Co., gegen gefälschte Nachrichten vorzugehen. Es dürfe nicht sein, dass gefälschte Nachrichten mehr Verbreitung fänden als recherchierte. Jeder habe »das Grundrecht auf eine eigene Meinung - aber nicht auf eigene Fakten«. Wäre sie so engagiert gegen die »Fake-News« von BLÖD und Konsorten (aber auch aus den eigenen Reihen der Öffentlich-Rechtlichen – denn wieso ist die syrische Regierung ein »Regime«, die saudi-arabische aber nicht?) vorgegangen, hätte vielleicht schon früher jemand sie mit der Nase auf Art. 5 GG gestupst. So blieb das Markus Kompa in der Telepolis vorbehalten. Wir brauchen nicht noch mehr Zensur in den sozialen Medien, sondern weniger, aber dafür mehr Medienkompetenz. Schließlich geht es mir ja schon gewaltig gegen den Strich, daß das Fratzenbuch immer wieder Nippelbilder wie das obige zensiert.


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Dieser Kommentar von Mikich war auch für mich Anlass, einen Blogartikel zu schreiben. Besonders das "Für Journalisten sind Faktenchecks der neue Standard." hat es mir angetan. "Faktencheck gegen Fake-News - die Quadratur des Kreises"

– Michael J. (Kommentieren) (#)


(Kommentieren)  Wider die Rede vom »Postfaktischen« – 20161213 bitte flattrn

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