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Abwehrzentrum gegen Desinformation

Hurra! Deutschland bekommt endlich wieder eine Zensurbehörde, denn das Bundesministerium des Inneren plant ein »Abwehrzentrum gegen Desinformation«, das dann sicher bald in »Ministerium für Wahrheit« umbenannt werden wird. Die Strategie ist so einfach wie armselig: So schafft man mit der Postulierung des »Postfaktischen« eine vermeintliche Bedrohungslage, die dann doch nur künstlich und gegenseitig ist:

Beide Seiten, die spätkapitalistischen Funktionseliten in den Massenmedien wie ihr durchgeknallter Internetschwarm in den sozialen Netzwerken, berufen sich somit auf die Vernunft, auf Fakten, Fakten, Fakten - um mal einen berühmten Journalistendarsteller zu zitieren. Folglich sind die Unterschiede zwischen diesem rechtsextremen Internetmob und den – ihren Kontrollverlust beklagenden – Akteuren in der Kulturindustrie nur graduell.

Man tut so, als ob die bürgerliche Bewußtseinsindustrie sich je um Fakten geschert hätte, als ob BLÖD und die übrige Springerpresse es mit der Wahrheit immer genau nehmen würden. Als ob die bürgerlichen Qualitätsmedien – angeführt von einem ehemaligen Nachrichtenmagazin und nachgeplappert auch von ARD und ZDF – nicht postfaktische Wahrheiten »schaffen« wollen, wenn sie zum Beispiel von einem Assad-»Regime« reden, aber durchgeknallte, religiöse Fanatiker und Terroristen »Rebellen« nennen. Von der Zeitschrift dem Boulevardblättchen des oben schon zitierten Journalistendarstellers will ich gar nicht erst reden. Und in der Politik, als ob sie selbst ein Hort der Wahrheit und Fakten wäre, ist die Panik vor Desinformation ausgebrochen:

Die ganze Debatte ist gespenstisch und entlarvt die in gewissen Kreisen herrschende Panik, die auch autoritäre Systeme kennzeichnet. Die Idee jedoch, die Zensur bzw. den fehlenden Willen der Strafverfolgung von privaten Unternehmen ausführen zu lassen, um sich selbst in Unschuld die Hände zu waschen, ist nicht nur scheinheilig und gefährlich, sondern zeigt selbst das Graufeld von politischen Botschaften auf. Zudem wird mit den Warnungen vor Fake-News, Desinformation und postfaktischer Information eine Bedrohungslage aufgebläht, die selbst mit der altbekannten Sündenbockargumentation postfaktisch ist oder eher einer strategischen Kommunikation gleicht, die einen vermeintlichen Gegner groß macht, um von den eigenen Schwächen abzulenken.

In diesem Sinne: Adieu, Meinungsfreiheit, willkommen im Zensur- und Überwachungsstaat. (Telepolis)

[Update]: Auch das US-Außenministerium bekommt eine neue Wahrheitsbehörde verpaßt. Und nein, nicht von Donald Trump, sondern von Barack Obama.


1 (Email-) Kommentar


Mir ist per Zufall ein sehr schöner Ausspruch von William Pitt d. J. untergekommen, den dieser 1783 vor dem Unterhaus tat: "Notwendigkeit ist die Ausrede für jede Verletzung der Freiheit der Menschen. Sie ist das Argument der Tyrannen."
Warum muss ich jetzt an Merkels Alternativlosigkeit denken?

– André D. (Kommentieren) (#)


(Kommentieren)  Abwehrzentrum gegen Desinformation – 20161227 bitte flattrn

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