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Gender und Sex (und eleganter Unsinn)

Till Nikolaus von Heiseler (nein, auch wenn es schwerfällt: keine Witze über Namen) will sein voraussichtlich im nächsten Jahr erscheinendes Buch »Die Pullo-Vorenus-Hypothese – Die Entstehung des Menschen aus dem Geiste der Narration« (Arbeitstitel) promoten und veröffentlicht daher eine Reihe von Aufsätzen in Blogs, Zeitungen und Zeitschriften, die auf das Buch neugierig machen sollen. So auch in der Telepolis, wo er fragt, ob Gendertheorie Aufklärung oder ideologische Verblendung sei. (Vorsicht: Leser(innen)unfreundliche Klickstrecke, daher besser die Druckausgabe nutzen.) Um es vorwegzunehmen: Der Beitrag ist durchaus vergnüglich zu lesen, erinnert mich aber in seinem konstruierten Gegensatz zwischen Natur- und Geisteswissenschaften an das ebenso vergnügliche wie problematische Buch Eleganter Unsinn von Alan Sokal und Jean Bricmont aus dem Jahre 1999. Herr von Heiseler zitiert, um diesen Gegensatz zu rechtfertigen, Harald Martenstein, der nach einer tatsächlich seltsamen Aussage (»Naturwissenschaft ist eine Konstruktion«) der Genderforscherin Hannelore Faulstich-Wieland (nein, auch wenn es wirklich schwerfällt: keine Witze über Namen) feststellt:

Das Feindbild der meisten Genderforscherinnen sind die Naturwissenschaften. Da ähneln sie den Kreationisten, die Darwin für einen Agenten des Satans und die Bibel für ein historisches Nachschlagewerk halten. […] Irgendwie scheint Genderforschung eine Antiwissenschaft zu sein, eine Wissenschaft, die nichts herausfinden, sondern mit aller Kraft etwas widerlegen will.

Till Nikolaus von Heiseler zitiert dann auch noch falsch und sinnentstellend (und trotzdem als wörtliches Zitat ausgezeichnet):

Das Feindbild der meisten Genderforscherinnen sind die Naturwissenschaften. Genderforschung ist wirklich eine Antiwissenschaft. Sie beruht auf einem unbeweisbaren Glauben, der nicht in Zweifel gezogen werden darf.

Ist doch seltsam, daß nur der erste Satz des angeblichen Zitats stimmt, oder? Und so konstruiert Herr von Heiseler munter weiter an seinem Gegensatz von Natur- und Geisteswissenschaften (die weiteren Zitate habe ich schon gar nicht mehr überprüft, denn wie schon der Volksmund weiß: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht …), setzt Formulierungen wie »evolutionäre Psychologen und andere Laien« in die Welt und kommt so zu dem Schluß:

Was also ist Gendertheorie? Sie ist eine Ideologie und damit ein Instrument der Macht. Die staatliche Verordnung dieser Ideologie hat wenig mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun, sondern vielmehr mit Umerziehung und der Einübung in die überkommene Ideologie des 19. und 20. Jahrhunderts. Sie stellt eine ideologische Anpassung an den alle Lebensbereiche durchdringenden Kapitalismus dar. Es handelt sich hier nicht um eine offene politische Diskussion und schon gar nicht um Wissenschaft. […] Wenn man diese Studien nicht generell abschaffen und beispielsweise durch Soziologie […] ersetzen will, müßte man sie in Sex-und-Genderstudien umbenennen und auch Evolutionsbiologie miteinbeziehen.

So gerne ich ihm zustimmen würde, das ist (zumindest in Teilen) eleganter Unsinn. Denn natürlich sind auch die Naturwissenschaften (wie die Evolutionsbiologie) nicht gegen die Produktion von Blödsinn gefeit. Selbst die Mathematik, die gerne mit ihrem oszillierenden Dualismus zwischen Natur- und Geisteswissenschaft kokettiert, hat einiges an – zugegeben manchmal genial unterhaltsamen – Unsinn produziert. Dagegen hilft nur das Offenlegen aller Quellen und korrektes Zitieren. Das sind die einfachsten Grundvoraussetzungen von Wissenschaft und schon hier hat Herr von Heiseler grandios versagt.

Aber ehrlich gesagt: Ich bin mir nicht sicher, ob hinter diesem »eleganten Unsinn« des Nikolaus von Heiseler nicht eine ganz andere Absicht steht. Laut Amazon ist er

Lyriker, Theaterschriftsteller, Schauspieler, Drehbuchautor, Theaterregisseur, Hörspielautor und -regisseur, Medienaktivist, Konzepter, Gesellschafts- und Medientheoretiker, Filmemacher, Moderator, akademischer Lehrer, Performer, Konzeptkünstler, sowie Autor und Regisseur fiktiver Künstler, durch die er in unterschiedlichen Medien und Formaten in Erscheinung tritt.

Angeblich will er (s)ein Buch mit einem seltsamen Titel promoten, das vielleicht nie erscheinen wird. Das bedeutet: Vielleicht will er uns auch einfach nur verarschen. Und ich bin darauf hereingefallen.


(Kommentieren)  Gender und Sex (und eleganter Unsinn) – 20150907 bitte flattrn

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