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Deutschland im Herbst

In der Nacht von gestern auf heute vor genau 25 Jahren wurde in Eberswalde Amadeu Antonio Kiowa von einem rassistischen, rechtsradikalen Mob, der gezielt aufgebrochen war, »Schwarze zu jagen«, zusammengeschlagen und brutal ermordet. Ich hatte damals unter dem Eindruck dieses Verbrechens folgende Verse verfaßt:


Deutschland im Herbst, es reifen die Birnen,
es gärt der Most in den Stammtischgehirnen.
Sie grölen Lieder von Ehre und Treu.
Es dröhnt das »Doitschland den Doitschen« Geschrei,
im Hirn zur braunen Soße vergoren,
wurde den Fremden der Tod geschworen.
Die Jungen, besoffen und ohne Verstand,
setzten des Nachts ein Wohnheim in Brand.
Und die braven Bürger, frisch gewendet,
haben der Untat der Söhne Beifall gespendet.

    Da raunen die Toten aus uralter Zeit:
    »Deutschland, ist es schon wieder soweit?«

Deutschland im Herbst, es fallen die Birnen,
es brodelt die Scheiße in Spießergehirnen.
Man fühlt sich als Sieger, man fühlt sich stark.
Hart wie Kruppstahl und treu bis ins Mark.
Laut brüllt man in die Nacht hinaus:
»Doitschland, Doitschland, Ausländer raus!«
Und als sie genügend Dröhnung im Magen
haben sie den Antonio erschlagen.
Die Polizei stand dabei, ließ es geschehen
und später hatten sie nichts gesehen.

    Da schrien die Toten aus uralter Zeit:
    »Deutschland! Es ist schon wieder soweit!«

Deutschland im Herbst, die Birnen verwesen,
verwest auch das, was ein Mensch gewesen.
Da brodelt auf einmal der Landwehrkanal.
Ein Schrei in der Stille, ein schrecklich Fanal.
Überall sind in den deutschen Landen
die von Deutschen Ermordeten aufgestanden
und haben noch in der selben Nacht
alles, was deutsch war, umgebracht.
Sie nahmen Rache für »Ehre und Treu«
und all das »Doitschland den Doitschen« Geschrei.

    Still ist’s jetzt, nur der Landwehrkanal
    murmelt »Deutschland, das war einmal …«


Ich habe leider die Befürchtung, daß es in diesem Herbst »schon wieder soweit« ist.


(Kommentieren)  Deutschland im Herbst – 20151125 bitte flattrn

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Über …

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