Seit ich Ende der 1980er Jahre mit meinem damals hochmodernen Atari Mega ST erste Schritte mit einem graphikfähigen Personalcomputer unternommen hatte, habe ich die Schmetterlingskurve immer wieder als Test für die Graphikfähigkeit und Schnelligkeit von Programmiersprachen und Rechnern benutzt. Sie wird in Polarkoordinaten beschrieben und ihre Formel ist (in Python):
r = exp(cos(theta)) - 2*cos(4*theta) + (sin(theta/12))**5
Die Gleichung ist hinreichend kompliziert um selbst in C geschriebene Routinen auf meinen damals unglaubliche 8 MegaBit schnellen Atari alt aussehen zu lassen. Rechenzeiten von 10 - 20 Minuten waren keine Seltenheit. Heute dagegen muß man den Rechner schon künstlich verlangsamen, damit man sieht, wie sich die Kurve aufbaut. Denn sonst erscheint sofort die fertige Kurve, um die sinnliche Erfahrung, wie diese entsteht, wird man betrogen. Daher habe ich sie in Processing.py innerhalb der draw()
-Schleife zeichnen lassen, wobei die Schleifenvariable theta
bei jedem Durchlauf um 0.02
erhöht wurde.
Der Code ist – dank Processing.py – wieder von erfrischender Einfachheit und Kürze:
def setup():
global theta, xOld, yOld
theta = xOld = yOld = 0.0
size(600, 600)
background(100, 100, 100)
colorMode(HSB, 100)
def draw():
global theta, xOld, yOld
strokeWeight(2)
stroke(theta, 100 - theta, 100)
r = exp(cos(theta)) - 2*cos(4*theta) + (sin(theta/12))**5
# aus Polarkoordinaten konvertieren
x = r*cos(theta)
y = r*sin(theta)
# auf Fenstergröße skalieren
xx = (x*60) + 300
yy = (y*60) + 300
if (theta == 0.0):
point(xx, yy)
else:
line(xOld, yOld, xx, yy)
xOld = xx
yOld = yy
theta += 0.02
if (theta > 75.39):
print("I did it, Babe!")
noLoop()
In setup()
ist eigentlich nur bemerkenswert, daß ich nach der Festlegung des grauen Hintergrunds (noch als RGB), den colorMode
auf HSB geändert habe. Damit lassen sich nämlich recht einfach diverse Farbeffekte erzielen. Ich habe dabei den Hue-Wert in Abhängigkeit von theta
gesetzt, die Sättigung auf 100 - theta
und die Brightness konstant bei 100 belassen. Da theta
nie größer als 75,39 wird, wird es also auch nie größer als 100 und damit sind diese Umrechnungen gefahrlos.
Damit erreicht man, daß zu Beginn, wo die Sättigung noch ziemlich voll ist, die Zeichnung mit einem satten rot beginnt, während im Laufe der Iteration die weiteren Farben immer blasser werden. Ich fand dies das ästhetisch anspruchvollste Ergebnis, aber um das selber nachvollziehen zu können, solltet Ihr ruhig damit experimentieren, zum Beispiel mit stroke(theta, 100, 100)
oder stroke(100-theta, theta, 100)
oder was immer Ihr wollt.
Ihr bekommt so diesen wunderschönen Schmetterling auf den Monitor gezeichnet:
Um die Entstehung der Kurve zu verstehen, empfiehlt Stan Wagon1, nacheinander folgende Formlen plotten zu lassen:
In Polarkoordinaten:
r = exp(cos(theta)) # ergibt eine Art Kreis
r = -2*cos(4*theta) # ergibt eine Art Blume
r = exp(cos(theta)) - 2*cos(4*theta) # ergibt einen sehr einfachen Schmetterling
Dann in kartesischen Koordinaten:
x = -2*cos(4*theta)
y = -sin(theta/12)**5
Und dann ruhig auch noch einmal (wieder in Polarkoordinaten):
r = exp(cos(theta)) - 2*cos(4*theta) - (sin(theta/12))**5
Ihr seht dann, daß es eigentlich unerheblich ist, ob Ihr den Störungsgteil der Formel addiert oder subtrahiert: Der Schmetterling ist nahezu identisch, lediglich an der anderen Farbgebung erkennt Ihr, daß es zwei verschiedene Formeln sind.
Die Schmetterlingskurve und ähnliche Kurven wurden von Temple Fay2 an der Universität von Southern Mississpi entwickelt. Sie eignen sich vorzüglich zum Experimentieren. So weist Pickover3 darauf hin, daß die Kurve
r = exp(cos(theta)) - 2.1*cos(6*theta) + sin(theta/30)**7
eine bedeutend größere Wiederholungsperiode aufweist. Ihr solltet Euch auch das ruhig einmal ansehen. Interessante Vergleiche mit der Originalschmetterlingskurve können Ihr auch ziehen, wenn Ihr mit
r = exp(cos(2*theta)) - 1.5*cos(4*theta)
eine ganz simple Form des Schmetterlings zeichnen lasst. Denn die heutigen Rechner sind schließlich hinreichend schnell, daß Ihr nicht mehr minuten- oder gar stundenlang auf ein Ergebnis warten müßt und zum anderen lädt die Möglichkeit des schnellen Skizzierens mit der Processing-IDE geradezu zu eigenen Experimenten ein.
Dieser Beitrag wird auch wieder auf meiner Seite Processing.py lernen erscheinen. Korrekturen und Ergänzungen gibt es dann nur noch dort.
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