image image


image

Die Presseschau am Montag

Nachdem ich über das Wochenende ein wenig meinen Feedreader aufgeräumt hatte, sind mir doch etliche politische Meldungen aufgestoßen, die ich – soweit sie sich nicht hinter einer Bezahlschranke versteckt hatten – Euch doch zur Lektüre empfehlen möchte.

Ich beginne mit einem schon etwas älteren, infamen Text aus dem Zentralorgan der grün getünchten Neoliberalen: »Rentner, gebt das Wahlrecht ab!« forderte dort Anfang des Monats eine Johanna Roth, die derzeit bei der taz das Ressort »Meinung+Diskussion« leitet. Begründet wird diese Forderung mit einer religiösen Inbrunst, die das Wählen der Grünen als moralischen Akt einfordert. Ich werde schon aus Prinzip nie diese grüngetünchten Neo-Inkarnation der FDP wählen, da wäre es doch konsequent, wenn wir Älteren gleich euthanisiert oder in Konzentrationslager eingepfercht werden:

Mit einem Schlag gäbe es Millionen Wohnungen für junge Menschen und Geflüchtete; Pflegenotstand sowie die Vergreisung mit den dazugehörenden Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson wäre kein Thema mehr; Milliarden, die sonst in die Rentenkassen fließen, stünden für die von der US-Regierung geforderte Aufrüstung und gegebenenfalls für einen Krieg gegen Russland zur Verfügung.

Albrecht Müllers Antwort an diese hinrgeschrumpften Menschen: »Nehmt allen unter 50 das Wahlrecht! Denn sie wissen nicht, was Krieg bedeutet, und anderes auch nicht«. Mehr habe ich diesem Kasperletheater auch nicht hinzuzufügen.

Kommen wir zur Verkehrspolitik: Klaus Gietinger fordert (womit? mit Recht!) »Das Auto muß weg«, unter anderem, weil das »von Faschisten gepushte Auto uns bewegungssüchtig gemacht« hat. Zu seinem Forderungskatalog gehört auch die Abschaffung der SUVs, denn diese seien – wie Detlef zum Winkel meint – eine »Botschaft von Rücksichtslosigkeit, Herrschsucht und vermeintlicher Überlegenheit«. Leider steht einem »Zurück zur Schiene« die massenhafte Stillegung von Bahnstrecken speziell im Osten Deutschlans im Wege. Es ist also noch ein weiter Weg bis zur Verkehrswende. Und ein Umdenken der Politik ist nicht in Sicht.

Im Gegenteil: Brüssel ist im Machtrausch und »Zensur heißt jetzt Faktenprüfung«. Und gen Ostland wird natürlich auch geritten. Was macht es da schon aus, daß jetzt herausgekommen ist, daß der Kauf von Monsanto mit Steuergeldern finanziert wurde? Und auch die Frage, ob Wohnungen Grundrecht oder Ware sind, wird die Politik schon zugunsten der Immobilienmafia entscheiden.

Jürgen Habermas ist vergangene Woche 90 geworden. Von Rüdiger Suchsland gibt es eine ausführliche Würdigung des Theoretikers gegen die Angst, des Philosophen der Zivilisierung nach der Barbarei und des intellektuellen, politischen Gewissens der Bundesrepublik. Und auch Alexander Kluge erinnert an den Mann der Entschiedenheit (L’enragé). Ich sollte die zum 50. Geburtstag von Habermas herausgegebenen »Stichworte zur ‘Geistigen Situation der Zeit’« mal wieder aus meinem Bücherregalen hervorkramen. Sie sind sicher auch nach 40 Jahren noch lesenswert.

Burks erinnert an eines der wichtigsten Gedichte von Bert Brecht, An die Nachgeborenen, und er wäre nicht Burks, wenn er sich diese Spitze verkniffen hätte:

Ich wüsste auch gern, was der wortgewaltige Dichter zu Gendersprache sagen würde: »Daß der Mensch dem Menschen ein/e Helfer*_In ist«? Da merkt man, wie bekloppt solche Leute sind. Aber verzerrte Züge hat der protestantische Furor der neuen deutschen grünen Mittelschicht schon, wenn es um Volkspädagogisches geht. Man müsse sich sprachlich benehmen. Wer das nicht kann, gehört nicht zu den Guten und muss zukünftig Fleischwurst und Eier von Hühnern aus Legebatterien essen.

Her mit der Fleischwurst und den Eiern von Hühnern aus Legebatterien (und Dosenbier) …

Kommen wir zu einem Thema, das sowohl mich wie auch Burks umtreibt – der Religion oder der irrationalen Verehrung höherer oder auch niederer Wesen: Österreichs Exkanzler Sebastian Kurz hat sich von evangelikalen Fundementalisten öffentich segnen lassen und ist damit – so Florian Aignerheiliger als die Wissenschaft erlaubt. Aber auch von der anderen Fraktion gibt es Neuigkeiten: Lale Agkün erklärt den »aufgeklärten Islam« (was ist das?) zur innerislamischen Angelegenheit und mosert gegen die Linke, die sich in »ihrer Toleranz sonnt«:

[…] ich denke da an die Jubelschreie eines mir bekannten Journalisten in Köln angesichts einer Frau im Niqab. Er freute sich über seine so tolle und weltoffene Stadt. Etwas befremdlich, oder?

Dagegen nimmmt sich Armin Pfahl-Traughber den Begriff »antimuslimischen Rassismus« vor und entlarvt ihn als hohles, polemisches Schlagwort mit großem Mißbrauchspotential. Dazu paßt auch seine »Kritik des Kulturrelativismus der postmodernen Linken« zum Sammelband »Freiheit ist keine Metapher«.

Da wundert es eigentlich niemanden, wenn in Düsseldorf christliche Rocker wegen versuchten Totschlags vor Gericht stehen. Sie hatten sich mit einem ehemaligen Mitglied in Glaubensfragen so zerstritten, daß er an den schlagkräftigen und schußsicheren Folgen der Bekehrung beinahe gestorben wäre. Der Beginn der Verhandlung verlief sehr absurd:

Der Prozessbeginn wurde von einem »Halleluja« singenden Damentrio, einem Schweizer Priester, der den Missbrauch des Glaubens durch die Angeklagten sieht, und einer Rangelei des Bruders des Hauptangeklagten begleitet.

Da muß man doch mit Nachdruck daran erinnern, daß jeder das Recht hat, frei von Religion zu sein.

War sonst noch was? Ach ja, Florian Freistetter erinnert an den goßen Mond-Hoax mit den damals entdeckten Fledermausmenschen auf dem Mond und Timo Rieg warnt vor den »Gärten des Grauens«: »Kurzgeschorene Rasen müssen peinlich werden«. Wenn Ihr einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Meldungen seht, dann behaltet ihn für Euch.


(Kommentieren) 

image image



Über …

Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!

Alle eigenen Inhalte des Schockwellenreiters stehen unter einer Creative-Commons-Lizenz, jedoch können fremde Inhalte (speziell Videos, Photos und sonstige Bilder) unter einer anderen Lizenz stehen.

Der Besuch dieser Webseite wird aktuell von der Piwik Webanalyse erfaßt. Hier können Sie der Erfassung widersprechen.

Diese Seite verwendet keine Cookies. Warum auch? Was allerdings die iframes von Amazon, YouTube und Co. machen, entzieht sich meiner Kenntnis.


Werbung


Werbung


image  image  image
image  image  image


image