»Die Inthronisierung der Ware und der sie umgebende Glanz der Zerstreuung ist das geheime Thema von Grandvilles Kunst. Dem entspricht der Zwiespalt zwischen ihrem utopischen und ihrem zynischen Element. Ihre Spitzfindigkeiten in der Darstellung toter Objekte entsprechen dem, was Marx die »theologischen Mucken« der Ware nennt. Sie schlagen sich deutlich in der »spécialité« nieder – eine Warenbezeichnung, die um diese Zeit in der Luxusindustrie aufkommt. Unter Grandvilles Stift verwandelt sich die gesamte Natur in Spezialitäten. Er präsentiert sie im gleichen Geist in dem die Reklame – auch dieses Wort entstand damals – ihre Artikel zu präsentieren beginnt. Er endet im Wahnsinn. […] Die Weltausstellungen bauen das Universum der Waren auf. Grandvilles Phantasien übertragen den Warencharakter aufs Universum. Sie modernisieren es. Der Saturnring wird ein gußeisener Balkon, auf dem die Saturnbewohner abends Luft schöpfen. […] Die Mode schreibt das Ritual vor, nach dem der Fetisch Ware verehrt sein will. Grandville dehnt ihren Anspruch auf die Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs so gut wie auf den Kosmos aus. Indem er sie in ihren Extremen verfolgt, deckt er ihre Natur auf. Sie steht im Widerstreit mit dem Organischen. Sie verkuppelt den lebendigen Leib der anorganischen Welt. Aus dem Lebenden nimmt sie die Rechte der Leiche wahr. Der Fetischismus, der dem Sex-Appeal des Anorganischen unterliegt, ist ihr Lebensnerv. Der Kultus der Ware stellt ihn in seinen Dienst.«
(Walter Benjamin: Das Passagenwerk, Frankfurt/Main (edition suhrkamp) 1982, Seite 51)
»Grandvilles Werk sind die sybillinischen Bücher der publicité. Alles, was bei ihm in der Vorform des Scherzes, der Satire vorhanden ist, gelangt als Reklame zu seiner wahren Entfaltung.«
(ebda. Seite 233)
»Wenn die Ware ein Fetisch war, so war Grandville dessen Zauberpriester.«
(ebda., Seite 249)
»Die planetarischen Moden von Grandville sind ebensoviele Parodien der Natur auf die Geschichte der Menschheit. Die Harlekinaden von Grandville werden bei Blanqui zu Moritaten.«
(ebda., Seite 267)
Das Bild erzählt von den Abenteuern eines kleinen phantastischen Kobolds, der sich hier eben im Weltraum zurechtfinden will: »Eine Brücke, deren beiden Enden man nich zugleich zu überblicken vermochte, und deren Pfeiler sich auf Planeten stützten, führte auf wundervoll geglättetem Asphalt von einer Weltkugel auf die andere. Der dreihundertdreiunddreißigtausendste Pfeiler ruhte auf dem Saturn. Da sah unser Kobold, daß der Ring dieses Planeten nichts anderes war, als ein rings um ihn laufender Balkon, auf welchem die Saturnbewohner abends frische Luft schöpften.«
(ebda., Seite 1060)
Über …
Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter Rentner, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!
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