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Autoren und Verlage in der New-Media-Falle – ratlos?

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Ich war am Freitag, den 4. Oktober 2013 auf einer Veranstaltung in Kreuzberg, die »Rewrite the Web – The Future of Publishing« hieß und vom Print on Demand-Anbieter epubli, einer Holtzbrinck-Tochter veranstaltet wurde. Es war ein netter Tag, aber es war auch ein seltsamer und ratloser Gemischtwarenladen, der da vortrug. Als einziger Verlag war der Ullstein Verlag vertreten, dessen Sprecherin engagiert ihren Brötchengeber als »The Publishing House of the Future« (Tagungssprache war englisch) anpries. Die Rezepte wirkten aber seltsam altbacken und so, als hätte Ullstein das Web gerade erst entdeckt.

Erfrischender wirkte da der Vortrag von Henrik Berggren, einem der Gründer von Readmill, der begeistert und mit viel Zahlen seine These untermauerte, daß die Zukunft des Lesens das Smartphone sei (und nicht das Tablet oder der Ebook-Reader). Und natürlich hat Readmill die passende App dazu. Im Anschluß sprach jemand von Google und verbreitete ein wenig Basiswissen darüber, wie man im Web schreiben sollte, damit man von Google gefunden wird. Leider grenzte er sich nicht von den allzu vielen, das Web bevölkernden SEO-Scharlatanen ab. Daher befürchte ich, daß sein Vortrag einige Unwissende in die Arme solch unseriöser Geschäftemacher trieb.

Der Vortrag »Storytelling and Social Games« von Sebastian Nußbaum vom Spielehersteller Wooga, der erzählte, daß man einmal gefundene gute Autoren wie ein rohes Ei behandeln sollte, mag zwar Balsam auf manch geschundener Autorenseele gewesen sein, aber ob das wirklich etwas mit der Zukunft des Publizierens zu tun hatte, wage ich doch leicht zu bezweifeln.

Was in der Diskussion zu den Beiträgen und in den anschließenden parallelen Workshops deutlich wurde, war eine tiefe Kluft und ein tiefes Mißtrauen der Autoren gegenüber den Verlagen. Aber auch eine große Hilflosigkeit vieler – ich sage mal: konventioneller – Schreiber gegenüber Facebook und Co., aber auch gegenüber den neuen Formen des Selbstpublizierens. Etliche waren wohl noch nicht im #Neuland angekommen oder scheuten die Mühe und die Zeit, die so etwas kostet.

Danach gab es zur Auflockerung etwas für den Kunsthandwerker in uns allen: Die Plattform Etsy wurde vorgestellt, auf der jeder handgemachte Produkte, alten Trödel oder Künstlerbedarf verkaufen kann. Glaubt man der Vortragenden, ist es eine äußerst erfolgreiche Plattform, gerade weil sie ihre Mitglieder bei ihren Aktivitäten auch unterstützt und nicht nur die Software zur Verfügung stellt.

Äußerst erfrischend war dann der Vortrag von Joanna (the creative) Penn, einer nach eigenen Angaben erfolgreichen Autorin, die ihre Werke alle selber vermarktet und verlegt. Ihre Bücher scheinen nicht gerade die zu sein, die ich mir ins Regal stellen würde, aber ihr Vortrag zeigte, daß der englischsprachige Raum den Vorteil besitzt, daß dort auch Nischenprodukte Erfolg haben können, weil die englischsprachige Nische immer auch eine große Nische ist. Denn der englischsprachige Markt umfaßt neben Großbritannien und den USA mindestens auch noch Kanada, Australien und Neuseeland, Indien und die Philippinen sowie große Teile Afrikas. Einen ähnlichen Vortrag wie den vom Freitag hat sie auch auf YouTube eingestellt, daher gibt es ihn zu Eurem plaisir im Schockwellenreiter TV.

Den Abschluß bildeten die Vorstellungen dreier Plattformen, die ich bisher nicht kannte: Wattpad ist eine Online-Community für Autoren. Dieses »YouTube für Schreiber« ist in Kanada und den USA speziell unter den sehr jungen Nachwuchstalenten sehr erfolgreich und wagt nun den Sprung über den großen Teich. Moviepilot ist nach meinem Gefühl eher eine Marketing-Plattform, denn eine Filmempfehlungs-Community, die Voraussagen über den Erfolg oder Mißerfolg von Blockbustern erreichen will. Matter, ein in San Francisco ansässiges Kickstarter-Projekt versucht, durch eine Bezahlschranke Qualitätsjournalismus zu finanzieren. Für mein Gefühl allerdings denken die Macher zu sehr in Print, die neuen multimedialen Möglichkeiten des Webs werden ebensowenig genutzt, wie die Möglichkeiten, die unter dem Stichwort Datenjournalismus gerade en vogue sind.

Was habe ich gelernt?

  1. Entrepreneur ist das Buzzword der Saison. Gemeint ist damit in der Hauptsache ein »Micro-Entrepeneur«, also der Klein(st)unternehmer, der seine Produkte – nach Möglichkeit mit Hilfe solcher Web-Plattformen, wie sich einige auch auf der Tagung vorgestellt hatten – selber vermarktet. Sie kommen damit der neoliberalen Ideologie einer selbsternannten »digitalen Bohème«, wie sie auch Holm Friebe und Sascha Lobo in ihrem Buch »Wir nennen es Arbeit« propagieren, gefährlich nahe. Andererseits teilen sich durch solche »neuen« oder besser »anderen« Arbeitsformen auch durchaus die Veränderungen einer postindustriellen Gesellschaft mit, die nach Lösungen für die Arbeit der Zukunft sucht.
  2. Da die Verlage aus Profitgründen ihre Aufgaben weder als Talentförderer, noch als Lektorrat und schon gar nicht im Marketing mehr wahrnehmen, viele Autoren den Schritt in ein Leben als »Entrepeneur« aber nicht wagen wollen, tut sich hier eine Lücke auf. Diese Lücke könnten spezialisierte Agenturen füllen, die sowohl im Preprint-Bereich die Formatierung, Umschlaggestaltung und Klappentext-Formulierungen sowie die Auswahl der geeigneten Distributoren (Print on Demand, Ebook, Online, App-Stores etc.) und im Postprint-Bereich das Marketing (speziell, aber nicht nur Social Media) übernehmen.
  3. Man sollte Grenzen überschreiten (das wurde mir beim Vortrag von Joanna Penn klar): Schaue ich mir die Zugriffe auf den Schockwellenreiter nach Ländern sortiert an, dann scheint es neben den klassischen, deutschsprachigen Länder (Deutschland, Österreich und die Schweiz), sowie den historisch mit einer starken deutschsprachigen Minderheit bevölkerten Gebieten in Ungarn, Tschechien, Italien, Frankreich auch eine starke deutschsprachige Leserschaft in den USA, Kanada und Brasilien zu geben. Daher denke ich, daß sich auch für deutschsprachige Autoren ein Vertrieb zum Beispiel nicht nur über Amazon.de, sondern auch über Amazon.com und andere durchaus lohnen könnte.
  4. »Die Konvergenz findet in der Westentasche statt«. Diese These, die ich schon 2010 in einem Vortrag »Vertriebskanal vs. Web des Wissens – Warum Geräte wie das iPad uns in eine Sackgasse führen« auf dem eco Kongress 2010 »Roads for Tomorrow« aufstellte, scheint sich mehr und mehr zu bewahrheiten,

(Kommentieren)  RtW13 – Rewrite the Web bitte flattrn




Über …

Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!

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