Quacksalberei legitimiert oder: Esoterik im Magazin des Deutschen Museums: Ich bin ja ein Fan des Deutschen Museums. Jeden Aufenthalt in München nutze ich, um mindestens ein paar Stunden in den unendlichen Weiten dieser technischen Wunderkammer zu verbringen und nach jedem Besuch habe ich ein wenig mehr über Technik und ein wenig mehr über Geschichte gelernt. Da es mich mittlerweile aber nicht mehr so häufig in die bajuwarische Hauptstadt verschlägt, bin ich auch regelmäßiger und begeisterter Leser von Kultur & Technik, dem Vierteljahresmagazin dieser altehrwürdigen Institution. Aber die jüngste Ausgabe (2/2013) hat mir beinahe die Sprache verschlagen. Denn dort gibt es in der Reihe »Auf Schatzsuche im Deutschen Museum« einen Beitrag (Seiten 44 bis 47) über Homöopathie, der schon im Anreißer diese als »sanfte Medizin« schönwäscht.
Um es vorab deutlich zu sagen: Eine Methode, deren Wirksamkeit trotz aller Anstrengungen ihrer Anhänger bis heute noch nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte, ist keine Heilmethode (sie heilt eben nicht) und schon gar keine »sanfte« Heilmethode, sondern schlicht und einfach Quacksalberei. Und so darf man deren Darstellung aus Freude darüber, daß man die Reiseapotheke von Samuel Hahnemann (1755 bis 1843), dem Begründer der Homöopathie, besitzt, nicht einem offensichtlich homöopathiegläubigen Qualitätsjournalisten (Wirtschaftsredakteur) überlassen, der schon im zweiten Absatz des Beítrags das Buch »Die Homöopathie-Lüge: So gefährlich ist die Lehre von den weißen Kügelchen« als »Kampfschrift« diffamiert.
Jan Victors (1619-1676): Quacksalber auf dem Markt (ca. 1636). [Quelle: Wikimedia Commons]
Ohne Zweifel hat der Arzt und Universalgelehrte Samuel Hahnemann mit seiner Vorstellung einer ganzheitlichen Betrachtung des Menschen in der Diagnostik seinen Platz in der Wissenschafts- und Medizingeschichte verdient. Den besitzt aber zum Beispiel auch der Arzt, Alchimist und Philosoph Paracelsus (ca. 1493 bis 1541). Trotzdem glaubt heute niemand mehr seiner Anleitung zur Erzeugung eines künstlichen Menschen, eines Homunkulus:
Man müsse menschliche Spermien 40 Tage in einem Gefäß im (wärmenden) Pferdemist verfaulen lassen. Was sich dann rege, sei »einem Menschen gleich, doch durchsichtig«. 40 Wochen lang müsse man dieses Wesen dann bei konstanter Wärme mit dem Arcanum des Menschenbluts nähren, und schließlich werde ein menschliches Kind entstehen, jedoch viel kleiner als ein natürlich geborenes Kind.
Sicher ist es Aufgabe des Deutschen Museums, auch die Reiseapotheke Samuel Hahnemanns zu erwerben und zu präsentieren. Die Würdigung und historische Einschätzung dieses Artefakts gehört jedoch in die Hand eines Wissenschaftshistorikers und nicht eines gläubigen Anhängers der Homöopathie. Und es geht schon gar nicht, unter der Überschrift »Weiterführende Informationen« nur Webseiten von Apologeten der Homöopathie aufzulisten und alle kritischen Stimmen außen vor zu lassen.
Mit diesem Beitrag hat Kultur & Technik seiner Glaubwürdigkeit und seinem Renommée schweren Schaden zugefügt, den es nur durch eine kritische Gegenposition in einer der nächsten Ausgaben wieder zurechtrücken kann. Ich schlage dafür Florian Freistetter als Autoren vor.
BTW: Der Kauf der Zeitschrift lohnt sich dennoch: Es gibt dort wunderbar recherchierte Beiträge zum Schwerpunktthema »Zweiradkultur« unter denen besonders der Aufsatz »Vom Lastenfahrrad zum Cargobike« meines Freundes und ehemaligen Kollegen Marcus Popplow, aber auch der Aufsatz über die Geschichte motorisierter Fahrräder (»Vom Motorrad zum Pedelec«) von Frank Steinbeck erwähnenswert sind. Dann einen Beitrag über einen U-Boot-Entwurf aus Bayern aus dem Jahre 1916 (wobei sich hier allerdings der Autor Jobst Broelmann bei der in der Überschrift aufgeworfenen Frage »Echt oder gefälscht?« bemerkenswert zugenöpft zeigt). Und last but not least analysiert Lorenz Kampschulte die »Chancen digitaler Mobilgeräte« im Museum. Der Ausflug in die Esoterik, mit dem die Redaktion Klaus Gertoberens beauftragt hatte, ist daher nicht nur bedauerlich, sondern ein echtes Ärgernis. (Kommentieren) (#)
Irgendetwas ist immer kaputt: Denn einen Tag Schadzug, den anderen Tag Signalstörung. Doch irgendetwas ist immer kaputt (-gespart). Und auch heute gab es wieder reichlich »Verzögerungen im Betriebsablauf«.
[Ceterum censeo]: Daher bin ich nicht nur der Meinung, daß der Berliner Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) als (politisch) Verantwortlicher für das Berliner S-Bahn-Chaos zurücktreten, sondern daß auch die gesamte Berliner S-Bahn wegen erwiesener und dauerhafter Unfähigkeit sofort entschädigungslos enteignet werden muß. [Photo (cc): Jörg Kantel] (Kommentieren) (#)
Security Alert: WordPress: Ich glaube, ich bin gerade noch rechtzeitig aus WordPress ausgestiegen, denn ein aus mehr als 90.000 Rechnern bestehendes Botnet versucht, die Passwörter von Wordpress-Nutzern mit Brute-Force-Methoden zu knacken. Ziel könnte der Aufbau eines mächtigeren Botnets sein. Sorgt also bitte dafür, daß
Dieser Angriff zeigt mal wieder die Gefahr, die der heute üblichen all in one-Lösung steckt. Seit Jahren predige ich schon, daß Blog-Engines und Content-Managemant-Systeme aus einem (möglichst hinter einer Firewall versteckten) Redaktions- und einem öffentlich zugänglichen (am besten nur aus statischen Seiten bestehenden) Produktionsserver bestehen sollten. Für die Kommentare ist ein ebenfalls separater Kommentarserver sinnvoll. Nur so kann man eine größtmögliche Sicherheit erreichen und Angriffe wie der aktuelle würden entweder sinnlos verpuffen oder man kann sie mit geeigneten Maßnahmen abwehren. [heise online news] (Kommentieren) (#)
Die österreichische Blues-Sängerin Meena Cryle hatte ich zwar im November 2010 schon einmal hier im Blog, aber gute Musiker(innen) kann man gar nicht oft genug hören. Daher heute noch einmal, dieses Mal mit dem Song It Makes Me Scream, gespielt am 4. April 2013 beim Vienna Blues Spring Festival im Wiener Reigen. Begleitet wird sie von ihrer Hausband, der Chris Fillmore Band und der namensgebende Gitarrist zeigte bei dieser Aufnahme mal wieder sein ganzes Können auf den sechs Saiten. Laut aufdrehen, denn es ist (endlich) Frühling. So kann die Woche beginnen. [Peter van I. per Email.] (Kommentieren) (#)
Über …
Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!
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