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Warum einen News-River?

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Wofram Schütte schrieb vor etwa sechs Wochen im Perlentaucher über die Zukunft des Lesens und löste damit eine Debatte aus, die Jan Drees unter dem Titel »Schon alles gesagt, nur noch nicht von allen?« zusammenfaßte. Mir gefielen dort vor allem die Beiträge, die darauf hinwiesen, daß das Netz eben nicht nur die »Verlängerung von Print mit anderen Mitteln« sei. So schrieb zum Beispiel Alexander Kluge von einer rettenden Öffentlichkeit:

Meine Erfahrung mit dem Internet ist, daß es überraschende Volten schlägt. Wenn es derzeit in seinem Mainstream auf stumpfsinnige Weise die Realität durch Ungeduld, Kurzfassung, Anpassung und organisierte Gleichgültigkeit übertrifft, ist es umgekehrt auch gut für Wunder der Aufmerksamkeit. In den Chips steckt bekanntlich Silicium. Ein Zuviel an Silicium nennt man Wüste. In der Wüste gibt es Stützpunkte des Lebens. Das sind die Oasen. Oft sind sie räumlich klein, im Verhältnis zum Gesamtgelände.

Kluge wünscht sich eine derartige Oase – und beschreibt den Entwurf eines ElfenbeinLeuchtturms, der seiner Ansicht nach ein Ort »klassischer Öffentlichkeit« sein könnte.

Am besten gefiel mir allerdings Marcel Weiss, der in seinem Blog darauf hinwies, daß das Internet alles abdecken könne und daß das Netz weder bei Twitters (und Facebooks) Algorithmus noch bei Googles Suchschlitz aufhöre. Jan Drees meinte dazu:

Man kann eingrenzen, auswählen, sein persönlicher Kurator sein, mit selbst zusammengestellten Timelines auf Twitter, Goodreads, Facebook usw. Der medienkompetente Nutzer ist zugleich ein Chefredakteur.

Die Verlegerin und Schriftstellerin Nikola Richter meinte, daß es die von Schütte geforderte »neue digitale Zeitung für Literatur« doch schon gäbe, nur eben dezentral, denn Literaturkritik sei überall (im Netz):

Die Blogs, die Sie benennen, Logbuch Suhrkamp, 114 des S. Fischer Verlags, Resonanzboden von Ullstein: Abonnieren Sie sie über einen Feed-Reader (zum Beispiel Feedly). Dazu noch ein paar tolle Literaturblogger wie Stefan Mesch, Mara Giese, Karla Paul oder Jan Drees und viele andere, die Sie in den Linklisten der genannten Blogger finden.

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Genau hier kommt meiner Meinung nach Dave Winers River of News ins Spiel: Denn mit seinen zusammengestellten Nachrichtenflüssen, die er idealerweise auch der Öffentlichkeit präsentiert, wird der Blogger zum Kurator, der damit auch den Timelines vom Twitter und Facebook und somit ihren legendenumwobenen Algorithmus und damit den Datensilos entfliehen kann. Denn – wie dieser Beitrag zeigt – können die Inhaber der Datensilos einen durchaus auch schon einmal aussperren, wenn ihnen die Richtung nicht paßt.

Auch wenn einige anderer Meinung sind: RSS ist nicht tot, wie auch Brent Simmons – nicht ganz uneigennützig – anläßlich der Vorstellung seines (kommerziellen) Feedreaders NetNewsWire 4 feststellte. Ich habe im Moment wenig Zeit, aber sobald ich wieder etwas Luft habe, werde ich diesem Blog Kritzelheft ebenfalls einen öffentlich zugänglichen Nachrichtenfluß spendieren. Dabei wird mir – wie schon einmal – die Seite »Consuming RSS Feeds with Ruby« helfen. Das ist ein weiterer Schritt, den Schockwellenreiter zu einem Teilnehmer eines offenen Netzes jenseits der Datensilos der großen Medienkonzerne zu machen. Denn auch David Weinberger merkte anläßlich der Ankündigung des Atlantik, das Bloggen zurürckzubringen (wenn auch ein wenig ironisch) an: Why blogging still matters. In diesem Sinne: Keep On Blogging!

War sonst noch was? Ach ja, die Free Software Foundation Europe will die informationelle Selbstkontrolle im digitalen Zeitalter sichern. Sie hat dazu gemeinsam mit Partnern ein Manifest für Nutzerdaten veröffentlicht, denn Daten gehören in die Hände der Nutzer. Und Felix Schwenzel ist mit seinem Blog zu Uberspace umgezogen. Ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen besteht aber offenischtlich nicht.


1 (Email-) Kommentar


Danke für den Artikel. Mögen Sie evtl. meinem Nachnamen noch ein „e“ spendieren?

– Jan D. (Kommentieren) (#)


(Kommentieren)  Warum einen News-River? – 20150904 bitte flattrn

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Über …

Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!

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