Dave Winer fragt es (und ich stimme ihm zu): Warum können wir keine Software mehr laufen lassen, die vor 25 Jahren geschrieben wurde? Er erinnert dabei an HyperCard, das seinerzeit einen ungeahnten Kreativitätsschub auslöste und dessen Programme (Stacks genannt) heute auf uralten Disketten verschimmeln. Auch das ist eine Frage von Zukunfstsicherheit und Nachhaltigkeit.
Sicher, für einige Betriebssysteme gibt es Emulatoren – aber eben nicht für alle. Und es gibt Programme wie zum Beispiel Live Code, die behaupten, HyperCard-Stacks einlesen und in eine moderne App umwandeln zu können. Aber auch das ist nicht perfekt. Ich selber hatte vor Jahren für eine Wissenschaftlerin am Institut einen HyperCard-Stack geschrieben, den sie liebvoll bis vor wenigen Monaten (auf einem Apple Performa 475 mit MacOS 9) nutzte und mit Daten fütterte. Nun möchte sie langsam mal auf einen moderneren Rechner wechseln, doch der Versuch, mit Live Code den Stack zu migrieren, gelang nur halb. Irgendwie sind zwar alle Daten vorhanden, doch die Navigationselemente sind unsichtbar geworden. Da ist also noch sehr, sehr viel Nacharbeit angesagt.
Etwas besser steht es um Turbo Pascal, hier gibt es mit Free Pascal einen freien Compiler für nahezu alle Betriebssysteme, der mit vielen Pascal-Dialekten klarkommt. Für die von mir geliebten (und seinerzeit viel genutzten) Pascal-Nachfolger Modula-2 und Oberon sieht es hingegen mau aus – und von den zahlreichen BASIC-Dialekten, die seinerzeit existierten, will ich gar nicht erst reden. Es kann doch nicht sein, daß – wenn man zukunftssicher programmieren will –, man vorsichtshalber besser auf FORTRAN oder COBOL zurückgreift (evtl. auch auf LISP oder C(++))?
Das berührt auch die Frage der »alten« Betriebssysteme: Wenn es eine Software gibt und wenn diese Software wichtig ist und wenn sie nur auf alten Betriebssystemen (Windows XP oder eben MacOS 9 – siehe oben) läuft, dann werden diese Betriebssysteme eben weiter genutzt. Und es gibt keinen Grund, sich darüber lustig zu machen, sondern in meinen Augen eine Verpflichtung der Hersteller, auch für diese Systeme noch Sicherheitsupdates auszuliefern. Hier ist der Gesetzgeber – möglichst EU-weit – gefordert, der entsprechenden Druck auf die Hersteller ausüben muß. Denn warum soll zum Beispiel der Berliner Senat seine alten XP-Rechner ausmustern (und mit den Kosten dafür den Steuerzahler belasten), wenn die Kisten noch klaglos genau die Arbeit verrichten, für die sie angeschafft wurden?
War sonst noch was? Ach ja, Dave Winer stellte mal wieder fest, daß einige Kommentare besser Blogartikel wären. Das finde ich auch. Denn es würde die Vernetzung und Verlinkung der Blogs untereinander stärken.
3 (Email-) Kommentare
Ich hab das hier gefunden: https://jamesfriend.com.au/running-hypercard-stack-2014 Leider war ich früher an DOS und das frühe Win gebunden und kann nicht wirklich einschätzen, ob diese Emulation funktioniert.Jedenfalls scheint alles da zu sei - nach meinen Erfahrungen mit runrev und LiveCode zu urteilen.
– Arnim W. (Kommentieren) (#)
Wäre es Freie Software und stände damit der Quellcode zur Verfügung und stände auch der Quellcode der Bibliotheken, von denen das Programm abhängt, zur Verfügung, dann wäre eine Portierung eine zwar nicht triviale, aber lösbare Aufgabe. Insoweit ist das Beispiel "Free Pascal" ganz aufschlussreich.
Nur wenn Software frei ist, ist sie auch zukunftssicher und nachhaltig.
– Michael St. (Kommentieren) (#)
Weil die große Mehrheit der Informatiker, Admins etc. die Langzeitarchivierung von Dokumenten, Software etc. pp. sträflich lange verschlafen hat. Einige Archivare gehen deswegen schon von einem zweiten Mittelalter aus, also einer Zeit quasi ohne Überlieferung.
– Fabian G. (Kommentieren) (#)
Über …
Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!
Alle eigenen Inhalte des Schockwellenreiters stehen unter einer Creative-Commons-Lizenz, jedoch können fremde Inhalte (speziell Videos, Photos und sonstige Bilder) unter einer anderen Lizenz stehen.
Der Besuch dieser Webseite wird aktuell von der Piwik Webanalyse erfaßt. Hier können Sie der Erfassung widersprechen.
Diese Seite verwendet keine Cookies. Warum auch? Was allerdings die iframes
von Amazon, YouTube und Co. machen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Werbung