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Was ist linkspopulär? Und ist es wirklich ein Ausweg aus der Krise der Linken?

Der Politikwissenschaftler Andreas Nölke, der auch schon einmal den Lexit, einen linken Ausstieg aus dem Euro gefordert hatte, hat ein Buch geschrieben: »Linkspopulär – Vorwärts handeln, statt rückwärts denken«. Darin geht er davon aus, daß ein nicht geringer Teil der deutschen Bevölkerung links-kommunitaristische politische Präferenzen hegt. Stichworte seien hier etwa Sorgen über mangelnde soziale Gerechtigkeit und Abstiegsängste, die Vorbehalte gegenüber einer liberalen Europa- und Migrationspolitik, die sehr geringe Wahlbeteiligung der sozial Schwachen und die strukturelle Überrepräsentation der Interessen der oberen Mittelschichten und Gebildeten in den Parlamenten. In einem Auszug in der Telepolis schreibt er:

Da Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Parteien bei wichtigen Themen (Europa, Migration, Globalisierung) eine Variante derselben Politik anbieten, sind die Rechtspopulisten bisher in dieser Hinsicht die einzige deutliche Alternative. Eine Alternativposition zum dominanten Kosmopolitismus läßt sich aber auch auf der linken Seite des politischen Spektrums formulieren, ohne jeden chauvinistisch-rassistischen Unterton.

Daher plädiert er für eine linkspopuläre Position, in deren Zentrum eine

nicht-exportorientierte Wirtschaftsstrategie stehen (müßte), die stärker auf die Binnennachfrage abstellt. Ich bezeichne diese Position als »links«, weil der Fokus ganz klar auf den Bedürfnissen der ärmeren Bevölkerungsgruppen liegt. […] Eine solche Position wäre früher wohl kaum als eindeutig »links« eingeordnet worden – allenfalls als klassisch sozialdemokratisch –, aber der öffentliche Diskurs ist in den letzten vierzig Jahren durch den Siegeszug des Neoliberalismus weit nach rechts gerückt.

Auch in den NacDenkSeiten kommt er zu Wort. Er wird dort noch deutlicher und wirft der Politik vor, daß sie

das Phänomen der ungebändigten Globalisierung als unabänderliches Schicksal hingenommen – oder diese Globalisierung noch intensiviert – anstatt den demokratischen und sozialen Nationalstaat und die zwischenstaatliche Kooperation als Schutzschilde gegen die zerstörerischen und auch nicht von Natur aus zwangsläufigen Aspekte dieses Phänomens hochzuhalten. Wir sehen das an der mangelnden Regulierung der Finanzmärkte, die zur globalen Finanzkrise geführt hat und noch immer bei weitem nicht ausreicht. Wir sehen das an einer Europäischen Union, die sich zunehmend in einen wirtschaftsliberalen Eurosuprastaat verwandelt, mit tiefen Eingriffen in die nationale Demokratie und in Arbeitnehmerrechte. Wir sehen das bei der unzureichend gebremsten Migration, bei der die negativen Auswirkungen auf Arbeitsmärkte, Sozialleistungen und Wohnungen für unsere ärmeren Bevölkerungsgruppen ignoriert werden.

Eine Lösung sieht er in einer Position,

die eine überzeugende linke Wirtschaftsstrategie mit einer kosmopolitismusskeptischen Haltung in Fragen von Militärinterventionen, EU-Supranationalisierung und Migration kombiniert.

Andernfalls befürchtet er

für die Zukunft allerdings noch weitaus schwerwiegendere Verwerfungen […]. Das gilt insbesondere für den Fall, daß die AfD nach dem Vorbild von FPÖ, Wilders oder – vorübergehend – dem Front National einen oberflächlichen sozialpolitischen Linksschwenk vornimmt und sich damit noch fester im Milieu der Arbeiter und unteren Mittelschichten verankern kann. Dann dürften sich Fragen nach einer Reduktion gesellschaftlicher Verwerfungen, einer echten linken Politik und einer grundlegenden Reduktion von Armut für lange Zeit erledigt haben.

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Oskar Lafontaine, der seinen Beitrag (ebenfalls in den NachDenkSeiten) mit der Überschrift »Wer die Sozialstaatlichkeit verteidigt, wird als »nationaler Sozialist« verschmäht.« versehen hat.

Die politische Linke ist in der letzten Zeit um eine neue Gruppe bereichert worden: die »Springer-Linke«. Die Angehörigen dieser Untergruppe sehen in der wichtigsten Errungenschaft der Arbeiterbewegung, dem Sozialstaat, eine nationalistische oder noch diffamierender eine »national-sozialistische« Verirrung. Begonnen hat mit dieser Schmähung derjenigen, die den Sozialstaat verteidigen, der Vorstandsvorsitzende des Springer-Konzerns, Mathias Döpfner, […].

Seine Zusammenfassung fällt noch deutlicher als das Fazit Nölkes aus:

Wer den Sozialstaat diffamiert und das Credo der multinationalen Konzerne »no nations, no border« nachplappert, ist ein Trottel des Neoliberalismus. Leute mit mangelndem Denkvermögen, die sich als Linke mißverstehen und sich selbst ständig auf die Schultern klopfen, erinnern irgendwie an den Mann im Weißen Haus: »Ich bin ein Genie.«

So, und nun? Ich weiß es nicht – obwohl ich viele der angesprochenen Kritikpunkte teile, ist mir der Rekurs auf den Nationalstaat unheimlich. Auf der anderen Seite löst die Europäische Union den Nationalstaat ja ebenfalls nicht auf, sondern stülpt nur den europäischen Nationalstaaten ein undemokratisches und bürokratisches Monster über, das aus dem unsäglichen Geiste des Neoliberalismus geboren ist. Das ist der Grund, warum ich für ein Europa der Regionen plädiere, aber nicht im Sinne einiger rechtspopulistischen Schwätzer, sondern im Sinne Leopold Kohrs, der damit das Ende der Nationalstaaten besiegeln wollte und für ein demokratisches und dezentrales Europa der Menschen plädierte, für ein Europa frei von Ideologien. Ob er damit besonders die Ideologie des Neoliberalismus meinte, ist nicht überliefert, aber denkbar.


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