Tante Heise verkündete heute großspurig das Ende von Python 2.7 und findet, daß es für alle Entwickler Zeit sei, auf Python 3 umzusteigen. Zwar habe ich mich mittlerweile mit Python 3 angefreundet und bin in der Regel durchaus in der Lage, Code zu schreiben, der ohne Gemecker sowohl vom Python-2.7- wie auch vom Python-3-Interpreter geschluckt wird (Ausnahme: UTF-8-Strings, aber etliche davon (Emojis!) kann auch Python 3 mit Tkinter nicht verarbeiten), dennoch halte ich das Schisma zwischen Python 2 und Python 3 für unüblerlegt und gefährlich. Denn wenn sich Python 3 noch weiter von Python 2 wegentwickelt, dann wird man irgendwann einmal viel Spaß mit älteren wissenschaftlichen Veröffentlichungen haben, deren Programme in Python 2 geschrieben wurden.
Daher meine Empfehlung: Auch nach Dezember 2019 auf jeden Fall ein (Anaconda-) Python 2.7 aufbewahren und in einer virtuellen Umgebung am Leben erhalten.
Und dann hat Tante Heise auch noch gelogen schlecht recherchiert: Das von der Python-Polizei beschlossene Ende von Python 2 betrifft nämlich nur CPython, den in C geschriebenen Interpreter von Python. Viele andere Python-Interpreter laufen nämlich durchaus noch mit einem Python 2 und sind noch lange nicht bei einem Python 3 angekommen. Der prominenteste davon ist Jython, der in Java geschriebene Python-Interpreter. Jython ist weitestgehend kompatibel zu Python 2.7, aber zu einer Version, die kompatibel zu Python 3 ist, ist es noch ein langer Weg. Und Jython hat durchaus viele Freunde, in meinen Augen gibt es dafür mindestens zwei gewichtige Gründe:
Processing.py, der Python-Mode von Processing basiert auf Jython, da nur Jython in der Lage ist, die Java-Bibliotheken von Processing zu lesen und auszuführen.
TigerJython ist eine in der Schweiz entwickelte Python-IDE mit einem Schwerpunkt für die Informatik-Ausbildung. Und wie der Name schon sagt: Jython!
Daß ich Processing.py hier erwähne, wird keinen regelmäßigen Leser des Schockwellenreiters verwundern, aber TigerJython? Ich hatte TigerJython vor Jahren schon einmal auf dem Schirm, aber damals gab es noch ein paar Probleme mit der Mac-Version, die nicht sonderlich stabil lief und auch die Architektur (eine einzige, riesiege .jar-Datei) war nicht sehr Mac-gerecht und so hatte ich die weitere Beschäftigung damit abgebrochen. Nachdem ich mich aber heute über den einführend erwähnten, oberflächlichen Artikel bei Tante Heise so geärgert hatte, hatte ich mir das Teil erneut heruntergeladen. Und siehe da, es kommt mit einer App und einer eigenen JRE, so daß die Apple-JRE nicht berührt wird (wenn man TigerJython mit der App und nicht vom .jar-File startet). Damit dürften nicht nur die Absturzursachen beseitigt sein, sondern das App-Icon läßt sich auch problemlos in das Dock schieben und TigerJython von dort aus starten.
TigerJython wird aktuell weiterentwickelt und gepflegt, die letzte Version ist vom Februar dieses Jahres. Und die mitgelieferten Module zur Turtle-Graphik, zur Graphikausgabe, zur Robotersimulation und zur Spieleprogrammierung sind nicht nur umfangreich, sondern auch ausführlich dokumentiert. Da das Teil aus der Schweiz stammt, ist die Dokumentation auch auf Deutsch vorhanden.
Ich muß jetzt abtauchen und mich intensiver mit TigerJython beschäftigen. Das Teil fasziniert mich und so führt eine dusselige Nachricht wie das angebliche Ende von Python 2 doch noch zu einem positiven Ergebnis. Still digging!
PS: Ich habe schon lange nichts mehr von Karsten Wolf gehört und so weiß ich nicht, wie es aktuell um seine Fork der Nodebox 1 steht. Aber ich denke, auch sie wird sich schwer nach Python 3 portieren lassen. Also ein weiterer Grund, seine Python-2-Skills nicht zu vergessen. 🤓
[Photo (cc): Jörg Kantel]
1 (Email-) Kommentar
Du notierst, dass etliche UTF-8-Zeichen mit Tkinter nicht verfügbar sind. Das liegt nicht an Python, sondern an Tcl/Tk, das via Tkinter in Python eingebunden ist. Tcl/Tk beherrscht 2-Byte-Unicode, dazu zählen etwa die Schachsymbole, jedoch nicht 4-Byte-Unicode-Zeichen, dazu zählen etwa die Fraktur-Lettern. Könnte sich ändern, wenn Tcl/Tk V. 9 rauskommt.
– Wolf-Dieter B. (Kommentieren) (#)
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