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Rentner-Radikalisierung durch Lesen?

Durch die politischen Ereignisse der letzten Zeit habe ich den Eindruck gewonnen, daß ich mich dringend radikalisieren muß. Um dies theoretisch zu untermauern, habe ich mir zu meinem - schon bisher sehr umfangreichen – Leseprogramm noch folgende Titel vorgenommen. Da ist zuerst einmal Chantal Mouffes Manifest »Für einen linken Populismus«, in der sie die These vertritt, daß nur über einen linken Populismus eine Alternative zur krisengeschüttelten, neoliberalen hegemonialen Formation zu verwirklichen sei. Eine Position, die nicht nur Sahra Wagenknecht mit ihr teilt.

Die Ursache dafür erforscht der Soziologe und Philosoph Zygmunt Baumann in seinem letzten zu Lebzeiten vollendetem Buch »Reotrotopia«. Gut fünfhundert Jahre nach der Veröffentlichung von THomas Morus’ Utopia, so eine These, haben die Nationalstaaten die Fähigkeit eingebüßt, ihre Versprechen auf Wohlstand und Sicherheit einzulösen. Wer in einer globalisierten Welt nach Ordnung suche, der richte seinen Blikc daher nicht länger auf einen ideal verklärten Ort – einen τόπος –, sondern in eine untote Vergangenheit. Verspricht eine spannende Lektüre.


Am nächsten dran an meine derzeitige Hauptlektüre (Hans Peter Duerrs fünfbändiges Monumentalwerk »Vom Mythos der Zivilisation«) ist François Julliens Kampfschrift »Es gibt keine kulturelle Indentität«, in der er aufzeigt, daß die kulturelle Identität ein Mythos sei, eine Illusion. Denn das Wesen der Kultur sei Veränderung. Er plädiert dafür, die Vielfalt der Bräuche, Traditionen und Sprachen als Ressourcen zu begreifen, die prinzipiell allen zur Verfügung stände.

Last but not least habe ich einen alten Enzensberger hervorgekramt, den Band »Einzelheiten 1: Bewußtseins-Industrie« von 1962. Den Begriff »Bewußtseins-Industrie« hatte Enzensberger später (1970) in seinem »Baukasten zu einer Theorie der Medien« wieder verworfen, vorschnell – wie nicht nur ich finde.

Alle diese Bücher sind – nicht zufällig – bei Suhrkamp erschienen, der eine besondere Form kapitalistischer und kultureller Arroganz vorführt: Alle E-Bücher im Kindle-Format sind exakt einen Cent billiger als die gedruckten Versionen. So wird der Verlag auf Dauer nicht überleben können.


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Über …

Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter Rentner, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!

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