Der britische Physiker, Mathematiker und Informatiker Stephen Wolfram ist nicht nur als Erfinder der Software Mathematica und seiner Forschung über zelluläre Automaten bekanntgeworden, sondern auch durch seine sprichwörtliche Unbescheidenheit: So heißt die Mathematica zugrundeliegende, aber nicht nur dort benutzte Programmiersprache Wolfram Language und seine webgestützte Such- und Wissensmaschine Wolfram Alpha. Und schon 2002 verfaßte er ein großformatiges, fast 1.300 Seiten schweres Manifest, daß eine neue Art der Wissenschaft (A New Kind of Science) versprach.1
Schon in »A New Kind of Science« vertrat Wolfram die Auffassung, daß man mit simple programs einen neuen Zugang zu Problemen zum Beispiel in der Physik, der Biologie oder den Sozialwissenschaften finden könne. Nun legte er in diesen Tagen noch eins drauf und hat ein Crowdsourcing-Projekt, das Wolframs Physics Project ins Leben gerufen, um eine »Fundamentaltheorie für Alles« zu finden, eine Einheitstheorie, die Relativität, Gravitation und Quantenmechanik miteinander verbindet. Tante Heise berichtet:
Nach Wolframs Auffassung ist der Raum nicht kontinuierlich, sondern wird von diskreten Punkten gebildet. Jedes Modell beginnt mit einer einfachen Darstellung und ein paar dieser Punkte – dann wird eine Regel angewandt, die weitere Punkte erzeugt. Bei der Wahl der Regel herrscht Freiheit, solange sie definiert, wie sich der Graph in der nächsten Iteration entwickelt. Einer der Aha-Momente in Wolframs früherer Arbeit war, daß die Ausführung einfacher Regeln zu ausgesprochen komplexem Verhalten führen kann.
»A New Kind of Science«, ick hör Dir trapsen. Dort spielen nämlich Wolframs eindimensionale Zellulärautomaten eine Rolle, die aus simplen Regeln komplexes Verhalten erzeugen.
Im deutschsprachigen Raum gab es – vermutlich auch, weil das alles beherrschende Thema Covid-19 alles übertünchte – kaum Reaktionen auf Wolframs Vorhaben, mir ist nur der oben erwähnte Artikel von Tante Heise bekannt. In der englischsprachigen Welt waren die Reaktionen vielfältiger. Hier ein paar Artikel:
Mag das alles Spinnerei sein oder nicht, es ist schlimmstenfalls sympathische Spinnerei und sicher nicht der schlechteste Weg, sich in der Corona-Krise die Zeit zu vertreiben, ohne den Verstand zu verlieren.
Ich werde mich an Wolframs Project nicht beteiligen, mir fehlt einfach das Wissen dazu, um es einzuschätzen. Aber ich habe Lust bekommen, wieder mehr mit (angewandter) Mathematik anzustellen. Da ich es aber immer noch nicht geschafft habe, die Wolfram Engine mit Jupyter zu verbandeln (obwohl es angeblich gehen soll), habe ich mir ersatzweise Sage Math heruntergeladen. Diese eierlegende Wollmilchsau verspricht ja, eine freie Alternative zu den Boliden Mathematica, Maple und MATLAB zu sein (der Download war jedenfalls fett genug) und besitzt eine Python/Jupyter-Oberfläche. Und ein paar Lehr- und Handbücher besitze ich auch dafür.
Und vielleicht finde ich in der Corona-Isolation doch die Zeit, mich in »A New Kind of Science« intensiver einzulesen (wer außer Stephen Wolfram behauptet, er hätte die 1.300 Seiten in einem Rutsch von vorne bis hinten durchgelesen, der lügt.) Still digging!
Ich hatte mir die Schwarte seinerzeit besorgt, aber ich muß gestehen, ich habe sie nur angelesen, für die 1.300 kleingedruckten Seiten fehlte mir einfach die Geduld. ↩
Über …
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