Osterspaziergang am 20. April 2014
Den neuen Potsdamer Landtag in Form des wiederauferbauten Stadtschlosses hatten wir noch nicht gesehen und so beschlossen Gabi, der kleine Sheltie und ich, ihm zu Ostern einen Besuch abzustatten. Es war schon ein gewaltiger Klotz, der da an der Brücke vor uns in Schweinchenrosa auftauchte. Auch daneben wurde gebaut, geklotzt und nicht gekleckert. Den Wiederaufbau der historischen Mitte lassen sich die Stadtoberen etwas kosten. Ob allerdings diese Gebäude im historisierenden Stil wirklich schön sind, darüber ließe sich trefflich streiten.
Humor jedoch bewiesen die Wiedererbauer des Stadtschlosses. An der Westfront über dem Eingang zum Landtag prangt in großen goldenen Lettern der Satz »Ceci n’est pas un château«, »Dies ist kein Schloß«.
Das alte Hauptgebäude der Potsdamer Fachhochschule dahinter verfällt zusehends. Hier fehlt wohl ein Konzept oder Geld oder Beides. Es soll 2018 abgerissen werden.
Die Freundschaftsinsel mit den Staudengärten Karl Foersters ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Gerade jetzt im Frühling zeigt er mit vielen bunten Blüten und dem zarten Grün, was das Jahr noch für Gartenliebhaber bereithalten wird. Denn in den Sommermonaten blühen hier über eintausend Staudensorten und in den anläßlich der Bundesgartenschau 2001 neu angelegten Wassergärten mehr als 250 verschiedene Schwertlilienarten. Trotz der vielen Besucher wirkt der Garten wie eine Insel der Ruhe im hektischen Trubel der vielen Touristen, die zu Ostern Potsdam und natürlich Sanssouci besuchen wollten.
Wir aber wollten nicht nach Sanssouci, sondern zum Schloßpark Babelsberg. Seit einigen Jahren schon kann man ihn vom Potsdamer Hauptbahnhof über einen neu angelegten Grünzug, den Nuthepark, entlang der Neuen Fahrt und der Havel erreichen. Dabei überquert man die Nuthe an der Stelle, wo sie in die Havel mündet. Um die Aussicht zu genießen, wurde dort ein übergroßer Stuhl aufgestellt, auf der unser kleiner Sheltie sehr verloren wirkte.
Die Nuthe selber ist ein kleines Flüßchen, das von Blankensee über Saarmund die flache Landschaft dieser Region durchfließt, begrenzt von Weidenbäumen. Manchmal kann man an ihrem Ufer entlang wandern, manchmal leider auch nicht. Aber sie wirkt immer ein wenig, wie von einem niederländischen Landschaftsmaler erdacht.
So erreichten wir schließlich den Babelsberger Schloßpark. Der Eingang an der Havel zeigt noch den verfallenden Charme der späten DDR, will heißen: Er bedarf dringend der Renovierung. Teilweise ziehen sich dicke Risse durch das Gemäuer, die Wände wirken feucht und einsturzbedroht. Es ist ohne Zweifel viel geschehen in den Jahren nach der Wende, der einst wegen seiner Nähe zur Westberliner Grenze verwilderte Garten wurde an vielen Stellen schon wieder zum Schmuckstück, wie es von seinen Erbauern, den Gartenkünstlern Fürst Hermann von Pückler-Muskau und Peter Joseph Lenné, gewollt war. Aber ebenso unübersehbar ist, daß noch vieles zu tun ist.
Das im Park gelegene Freibad hatte noch nicht eröffnet. Und auch wenn es wie ein Fremdkörper in der historischen Anlage wirkt und es die Stiftung Schlösser und Gärten sicher gerne weghaben möchte, es ist bei der Bevölkerung sehr beliebt und so wird es wohl ein Bleiberecht erhalten.
Der Aufstieg zum weithin sichtbaren Flatowturm, der nach dem Vorbild des Eschenheimer Torturms aus Frankfurt am Main erbaut wurde, ist erstaunlich steil. Doch von hier aus hat man eine phantastische Aussicht auf Potsdams Mitte und wir stellten fest, daß das aus der Nähe doch so wuchtig wirkende Stadtschloß von hier oben gar nicht sichtbar ist. Aus der Ferne verschiebt sich die Perspektive doch wieder und die an Florenz erinnernden, deutlich sichtbaren Kuppeln Potsdams lassen die Italiensehnsucht der preußischen Herrscher erahnen.
Dem fünfzackigen Wassergraben um den Turm fehlt immer noch das Wasser, aber Unterwasserscheinwerfer sind immerhin schon eingebaut.
Weiter ging es zur Gerichtslaube, die teilweise aus den Originalsteinen der Berliner Gerichtslaube aus dem dreizehnten Jahrhundert, die 1860 dem Neubau des Roten Rathauses weichen mußte, erbaut wurde. Das rote, luftige Gebäude war eingerüstet und wird gerade renoviert. Danach wird man dann wohl wieder die Symbolbilder an den Pfeilern, zum Beispiel die Schlemmerei und Unzucht darstellenden Schweine, bewundern können.
Den Uferweg ignorierend erreichten wir dann den Pleasureground mit seinen Beeteinrahmungen aus farbiger Keramik. Er harrte zum größten Teil noch seiner Bepflanzung, lediglich ein paar wenige Beete waren mit Tulpen und anderen Frühblühern besetzt.
Das eigentliche Babelsberger Schloß war komplett eingerüstet und somit unsichtbar. Es wird in den nächsten zwei Jahren aufwendig saniert und soll dann in seiner weithin sichtbaren Schönheit pseudoenglischer Gotik zu besichtigen sein.
Von hier oben hat man eine weite Aussicht auf die Glienicker Brücke, der »Brücke der Einheit«, auf das Belvedere des Jagdschlosses Glienicke, auf Schloß Glienicke und auf den Biergarten »Bürgershof«, der unser nächstes Ziel war.
Der Biergarten Bürgershof bietet neben der Aussicht auf den Babelsberger Schloßpark bayerische Speisen und Getränke zu fairen Preisen. Er liegt in Klein Glienicke, das vor der Wende nur über eine kleine Brücke zu erreichende DDR-Enklave inmitten West-Berlins war. In den ersten Nachwendejahren noch eine gemütliche Kneipe, die eher zufällig zu ihrer Popularität für Ausflügler gekommen war, scheint der Biergarten nun einer großen Berliner Restaurantkette zu gehören, die das Gebäude aufwendig umgebaut hat. Leider ist bei dieser Sanierung die gemütliche alte Gaststube, in der man sich nach Herbstspaziergängen aufwärmen konnte, der Küchentechnik zum Opfer gefallen.
Bis vor wenigen Jahren war der Uferweg am Griebnitzsee durchgängig für Fußgänger und Radfahrer begeh- und befahrbar. Dann jedoch siegte der Kapitalismus in Form der Besitzer der Ufergrundstücke, die den ehemaligen Grenzweg für sich und ihre Yachten beanspruchten und sperren ließen. So kann man das Ufer nur noch an wenigen Punkten erreichen. Dafür hat man bei seiner erzwungenen Ausweichroute über die Karl-Marx- (welche Ironie der Geschichte) und Virchowstraße ausreichend Gelegenheit, seinem Sozialneid zu frönen. In den 1920er Jahren lebten in diesen prächtigen Villen mit Seeblick und Ufergrundstück viele Stars und Sternchen der Babelsberger Filmindustrie, die heutigen Besitzer hingegen bleiben lieber anonym, wie die vielen leeren Klingelschildchen verraten.
Das letzte Bierchen vor der Heimfahrt tranken wir im Albers direkt am Bahnhof Griebnitzsee. Das Lokal ist der Filmtradition Babelsbergs gewidmet und nach dem Schauspiele Hans Albers benannt. Die freundliche Bedienung dort versöhnte uns wieder und so stiegen wir frohgemut in die Bahn und fanden, daß dies ein schöner Osterspaziergang gewesen sei. Der kleine Sheltie fand das auch und schlief schon während der Heimfahrt erschöpft ein.
Über …
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