Es begann damit, daß Robert Basic an seiner alten Wirkungsstätte über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Blogosphäre oder genauer der Weblogs schwadronierte. Ich habe das gelesen und mich gefragt »Was will uns der Künstler damit eigentlich sagen?« Irgendwie ging es um »Geldverdienen mit Blogs«, aber nicht um Selbstverwirklichung, freie Informationen oder gar um ein »Web des Wissens«. Als dann Daniel Rehn in seinem Blog darüber lamentierte, daß die Professionalisierung der Blogger zu Lasten der Leidenschaft ginge (und dieser larmoyante Beitrag auch noch mehrheitlich zustimmend in meiner Facebook-Zeitleiste auftauchte), habe ich es endlich (ja, ich bin manchmal etwas langsam) begriffen: Es geht tatsächlich nur noch um die Knete und wie man möglichst viel davon mit seinen Netz-Aktivitäten scheffelt.
Als ich im April 2000 (Achtung: Opa erzählt vom Krieg!) mit dem Bloggen begann, war die Idee, damit Geld zu verdienen, so etwas von absurd, daß sie mir nicht in den Sinn kam und mir auch bis heute noch fremd ist. Sicher, ich habe nichts gegen Geldverdienen und ein paar Jahre hat das ja auch mit diesem Blog Kritzelheft ganz gut funktioniert, aber als der Goldrausch der frühen Jahre vorbei war und die Einkünfte wieder schrumpften (bis sie heute wieder auf nahezu Null gesunken sind), hat mir das auch nichts ausgemacht. Ich habe fröhlich weitergebloggt und habe vor, es so lange zu tun, bis mir der Griffel aus der Hand fällt oder mich doch einmal die Lust verläßt.
Und so ist auch mein Verhältnis zu den sozialen Medien völlig entspannt. Ich (cross-) poste gnadenlos jeden Blogbeitrag nach Facebook, Twitter und Co., ich mißbrauche das Fratzenbuch und Wallabag als Notizbuch und Zwischenablage, wo ich meine Quellen und Ideen für zukünftige Blogposts hinterlege (und auch mal wieder verwerfe), aber der Mittelpunkt aller meiner Netzaktivitäten bleibt der Schockwellenreiter, mein Heimathafen und mein Blog (zusammen mit meinem Wiki). Denn das gehört mir und seitdem ich mich von WordPress verabschiedet habe und es wieder mit statischen Seiten läuft, halte ich es auch für ziemlich zukunftssicher.
Vor ein paar Monaten fiel mir mal ein Buch zwischen die Finger. Das nannte sich Wir machen dieses Social Media und ließ mich völlig ratlos zurück. Bis auf eine Ausnahme kannte ich niemanden von denen, die angeblich dieses »Social Media machen« und auch die Themen, die sie mit Social Media verbanden, ließen mich völlig kalt. Irgendwie ging es um Reichweiten (die meist völlig lächerlich waren), um Public Relations (sprich: Produktwerbung) und ähnliches. Es ging nirgendwo um den Austausch gemeinsamer Sporterlebnisse (meine Facebook Timeline dreht sich fast zur Hälfte um Agility oder andere hundesportlichen Aktivitäten), um politische Diskussionen, um den Austausch über Kino, Musik oder Krimiserien. Dieses Social Media, das die Autoren dieses Buches angeblich »machten«, war schlicht und ergreifend nur eines: langweiliges Marketing!
Wer so an das Netz mit allen seinen spannenden Möglichkeiten herangeht, der wird natürlich schnell enttäuscht sein. Aber er hat das Netz nicht begriffen. Denn es kann viel mehr sein, als nur ein weiterer Abspielkanal der Bewußtseinsindustrie. Das muß zwar immer wieder neu erkämpft werden, aber diese Möglichkeiten, die unter anderem in (m)einem Traum von einem Web des Wissens münden, lasse ich mir von den BWL-Studenten aus den Marketing-Abteilungen nicht kaputtmachen.
War sonst noch etwas? Ach ja, Thomas Knüwer schreibt, warum Marken und Medien einen Blick auf Snapchat werfen sollten und Dave Winer beklagt, daß Medienkonzerne App-Entwickler geworden seien und daß dies nicht gut sei. Den Zusammenhang zwischen den beiden Meldungen müßt Ihr schon selber herstellen.
1 (Email-) Kommentar
Schöner Artikel. Sehe ich genau so. Bloggen macht man doch aus Spaß an der Freude. Im übrigen Respekt, dass du das schon so lange machst. Bin selber erst knapp drei Jahre dabei. Ich habe aber auch nicht vor so schnell aufzuhören, egal ob 50, 100, 1000 oder 50000 Leute monatlich meine Sachen lesen wollen. Das ist doch einfach nur eine andere Art Tagebuch.
Weiterhin viel Spaß beim bloggen wünsche ich dir. Ich werde deinen Blog jetzt mal im Auge behalten.
– Marcus B. (Kommentieren) (#)
Über …
Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!
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