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Die Blogger in der Social-Media-Krise – ratlos?

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Felix Schwenzel schnappte einen Beitrag von Mathias Richel auf Facebook auf

Wenn du 78% deines Gesamttraffics über Social hast, davon 96% über Facebook, bei nur ca.15% Direktzugriff, wofür hast du noch ‘ne Webseite?

und machte daraus das einzig Richtige, nämlich einen Blogbeitrag. Er verglich den eigenen Webauftritt mit dem Fabrikverkauf und schlußfolgerte (in der für ihn typischen Kleinschreibung):

auch wenn eigene, selbstgepflegte und vor allem selbst kontrollierte webseiten im vergleich zu anderen vertriebsquellen keinen großen durchsatz oder hohe besucherzahlen haben, so ist ihr wert für die image-bildung oder leserbindung nicht zu unterschätzen. […] egal welche strategie man für den vertrieb seiner produkte wählt, über handelsketten, großhändler, soziale netzwerke, die masse wird über fremdkontrollierte kanäle abgesetzt oder erreicht. aber die identität wird zuhause, in der fabrik, im eigenen schaufenster, auf der eigenen website geprägt. das vorschnell aufzugeben, nur weil der vertrieb über dritte mehr masse absetzt, wäre dumm. aber allein auf direktvertrieb zu setzen, ebenso.

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In eine ähnliche Kerbe schlägt Dave Winer, wenn er ein besseres Blog-System fordert – speziell für kurze Beiträge, die etwa einen Absatz lang sind. Derzeit publiziert er sie, mehr oder weniger unabhängig voneinander (das heißt per copy&paste) an drei Orten. In seinem Blog, auf Facebook und auf Twitter. Er erinnert sich aber auch daran, daß sein Blog 1999 mehr Features hatte und er sein Schreiben dramatisch an die Bedingungen von Google Reader (Beiträge mußten Titel haben), Twitter (nicht mehr als 140 Zeichen) und Facebook (keine Textauszeichnungen) angepaßt hat. So habe er nach und nach Features aus seinem Blogsystem entfernt, statt neue hinzuzufügen.

Ich muß ihm Recht geben. Das schönste Blogwerkzeug, mit dem ich je gebloggt hatte, war Radio UserLand. Ich konnte in Outlines bloggen oder meine Ideen sammeln, ich konnte aber auch Blogbeiträge im Radio-eigenen Editor schreiben (Radio UserLand basierte auf Frontier), aber auch im Editor meiner Wahl (Radio schrieb dann die Dateien heraus) oder im Webinterface von Radio (denn Radio war auch ein Webserver auf dem Desktop). Wenn ich dann das Publish-Knöpfchen drückte, schrieb Radio statische Blogseiten auf den Webspace meiner Wahl hinaus.

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So etwas wäre die Grundlage (m)eines besseren Blogwerkzeugs, wie ich es hier in Stichpunkten schon mal angedacht hatte. Und es müßte natürlich ein paar neue Features besitzen: Es müßte in der Lage sein, nicht nur auf den eigenen Webspace herauszuschreiben, sondern auch in die diversen Kanäle der sozialen Netze zu posten. Es müßte dazu fähig sein, daß ich es nicht nur von meinem Desktop, sondern auch von einem Smartphone oder einem Tablet ansprechen kann.

Denn Sascha Lobo und Felix Schwenzel hatten mit Reclaim Social Media – einem WordPress Plugin – die Idee, sich ihre Posts aus den diversen sozialen Netzen zurückzuholen. Ich wiederum möchte alle meine Beiträge – auch die für die Kanäle in den sozialen Netzen – im Werkzeug meiner Wahl verfassen, damit alles bei mir bleibt und nichts in den Datensilos dieser Welt verschwindet. Ein gewünschter Nebeneffekt wäre, daß ich damit (hoffentlich) auch das Problem der zukunftssicheren Archivierung löse.

CouchDB erinnerte mich ja schon mehrmals an Frontier, nur mit JSON als Speicherformat und JavaScript statt UserTalk als (interne) Programmiersprache. Ich halte daher immer noch an der Idee fest, daß sich mit CouchDB (und PouchDB für mobile Devices) ein neues, modernes Frontier bauen ließe. Und auf dieser Basis natürlich auch ein neues, modernes Radio UserLand.

War sonst noch was? Peter Glaser denkt für die »Neue Züricher Zeitung« in Urmaschine, Menschennetz und Weltgehirn darüber nach, warum die Idee der Hyperlinks erstarrt ist und weshalb viele wünschen, daß sich das Netz in eine weltumspannende neue Sphäre verwandelt:

Hyperlinks funktionieren in einem Großteil der Fälle nach wie vor nicht anders als eine Rohrpost: Ein Klick auf A führt nach B. Eine Entwicklung hin zu organischeren Verbindungsmöglichkeiten findet nicht statt. Ein einfaches Beispiel wäre, wenn ein Link je nach Tages- oder Nachtzeit jeweils an ein anderes Ziel führen würde. Der tageszeitsensitive Smartphone-Homescreen Aviate ist ein Ansatz in die Richtung.

Denn das Internet sei kein Computernetz mehr, sondern ein Menschennetz. Das führe zu der Metapher des Netzes als weltumspannendes Gehirn. Jedoch sei das Leben keine Sammlung abstrakter Botschaften und nicht auf die Funktion organisierten Wissens zu reduzieren. Es sei ein Fehler (oder ein Trick), Information mit Existenz gleichzusetzen.

Das Problem der Beschränktheit von Hyperlinks versuche ich übrigens mit meinem Wiki zu lösen. Wenn ich hier im Blog Kritzelhelft auf eine Seite dort verlinke, besitzt diese Seite auch immer weitere und weiterführende Links. So führt ein Klick nicht nur von A nach B, sondern von A (via B) nach C, D und E. Dieser Artikel ist mit vielen Links zu meinen Wiki gespickt. Probiert es doch einfach mal aus.

[Photo vom Drachenfest auf dem Tempelhofer Feld (cc): Gabriele Kantel]


1 (Email-) Kommentar


Reclaim kann man wohl als tot bezeichnen – vor 10 Monaten wurden zuletzt einige Kleinigkeiten geändert (Readme, Sprachdateien), der Rest ist bis auf die composer.json mindestens zwei Jahre alt.
Gibt es denn überhaupt eine (nicht selbst programmierte) Lösung für derart kurze Blogposts? Ich suche auch nach einem derartigen Tool, einfach, um kurz Links oder Gedanken in die Welt zu werfen ohne mir über einen Titel Gedanken machen zu müssen. In Wordpress gibt es zwar einige Artikelformate ohne sichtbare (!) Überschriften und mit etwas Gefrickel kann man die sicher auch im Theme verbergen, aber eigentlich hat Wordpress für den Anwendungszweck viel zu viele Funktionen.

– Fabian G. (Kommentieren) (#)


(Kommentieren)  Blogger in der Social-Media-Krise – 20151012 bitte flattrn

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Über …

Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!

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