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Hosting, Markdown und statische Seiten, revisited

Von Jürgen Fenn gibt es unter dem Titel »Kaum einen Hauch V« eine Replik auf meine beiden Beiträge »Microsoft kauft GitHub, na und?« und »GitHub, GitLab, Hosting, Markdown und statische Seiten« mit zwei interessanten Vorschlägen/Gegenpositionen. Zum einen schlägt der Autor vor, den Org-mode statt Markdown zu nutzen und zum anderen regt er an, die Datenkraken durch eine eigene, genossenschaftlich organisierte Infrastruktur zu ersetzten. Dazu möchte ich Stellung nehmen.

Der Org-mode

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Langjährige Leser des Schockwellenreiters wissen, daß ich selber sehr lange mit dem Org-mode experimentiert und ein begeisterter Nutzer war (ich habe unter anderem ein ganzes Buch damit geschrieben). Aber der Org-mode ist an einen Editor, nämlich den Emacs gebunden (meine eigenen Versuche, ihn mit TextMate und RubyFrontier zu verheiraten, waren nur von mäßigem Erfolg gekrönt). Und weder der Org-mode noch der Emacs sind etwas, das Schwiegermutter- oder gar Geisteswissenschaftler-kompatibel ist. Man muß schon ein sehr technikverliebter Nerd sein, um damit freiwillig herumzuspielen (wenn man sich einmal darauf einläßt, macht es zugegebener Maßen aber auch Spaß). Natürlich kann der Org-mode mehr als Markdown kann, aber das nützt nichts, wenn ich die Org-mode-Datei mithilfe von Pandoc erst nach Markdown konvertieren muß, um sie in einem anderen Editor als den Emacs weiterbearbeiten zu können.

Und dann ist die Emacs-Situation außerhalb der Linux/Unix-Welt ziemlich undurchsichtig. Unter macOS sieht es so aus: Der Aquamacs (mit Emacs 25.1), der Emacs, der nach einigen Anpassungen noch am ehesten Mac-like zu bedienen und damit eventuell auch Geisteswissenschaftlern zumutbar ist, hat sein letztes Update vor zwei Jahren erfahren. Der Emacs for MacOS X kommt aus Prinzip nackt, die Installation der benötigten Pakete (Org-mode und AucTeX) ist ziemlich haarig, so haarig, daß sich Vincent Goulet erbarmt und eine modifizierte Distribution für R-Entwickler und LaTeX-Nutzer zusammengestellt hat – das sind aber auch nicht gerade die klassischen Geisteswissenschaftler. Über die Emacs-Situation unter Windows weiß ich gar nichts, er scheint aber dort auch nicht sehr populär zu sein.

Dann gibt es noch den bekannten Witz: Der Emacs ist ein ziemlich geniales Betriebssysten – nur schade, daß ihm ein vernünftiger Texteditor fehlt.

Und last but not least: Ich habe mich mit RubyFrontier schon einmal an einen Texteditor (TextMate) gebunden. Diesen Fehler werde ich nicht noch einmal wiederholen.

Genossenschaften für die »letzte Meile«

Jürgen Fenn schlägt außerdem eine »genossenschaftliche Struktur« vor, um die »letzte Meile« im Publikationsprozess auch noch sauber und appetitlich abzudecken, also auch sie den Fängen der Datenkraken zu entreißen. Wenn es doch so einfach wäre. Solche Versuche gibt es ja schon, doch sie werden wohl auf ewig »Diaspora« bleiben. In meinem Berufsleben habe ich es einfach: Die freundlichen SysAdmins eines Schwesterinstituts haben ein für alle Mitarbeiter meines Brötchengebers offenes GitHub-Enterprise hochgezogen (das auch ich nutze) und bei einem Dienstleister existiert ein GitLab-Server, der auch allen MPG-Mitarbeitern offen steht (mit sauberem Datenüberlassungsvertrag) und von den ebenfalls freundlichen SysAdmins dort gewartet wird. Doch was nützt das mir und all den anderen als Privatperson? Die Installation eines sochen Servers mag ja noch recht einfach sein (ist es zumindest bei GitLab in meinen Augen nicht – ich habe es versucht und bin daran gescheitert), aber die notwendige, kontinuierliche Wartung und das Einspielen von Sicherheits- und anderen Updates kann sich zur Qual entwickeln.

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Das war übrigens auch der Hauptgrund, warum ich vor einigen Jahren meine selbstgehostete WordPress-Installation geschlossen und dieses Blog Kritzelheft wieder mit statischen Seiten betrieben hatte: Die Sicherheits- und Wartungs-Updates waren nicht nur zeitaufwendig, sondern sie hinterließen auch jedesmal ein mulmiges Gefühl, ob denn auch wirklich alles geklappt hat.

Daher glaube ich, daß zwar das Genossenschaftsmodell ein schöner Gedanke ist, sich aber niemand finden wird, der es auf Dauer (und damit meine ich auf Jahrzehnte) betreiben wird. Darum beruht mein Modell ja auf der Idee, daß die Daten immer auf dem Rechner oder den Rechnern des Nutzers verbleiben und sie für Distribution und Synchronisation auch redundant auf allen möglichen und eben auch komerziellen Hostern verteilt werden können.

War sonst noch was? Ach ja, einige glauben, daß Dienste wie Git, GitHub und GitLab ja sowieso nur von Programmierern und anderen Nerds genutzt würden. Dem ist aber schon lange nicht mehr so. Spätestens seit GitHub und GitHub Desktop (früher GitHub for Mac), die Nutzung so stark vereinfacht haben, wird der Dienst auch von vielen Wissenschaftlern und Autoren genutzt, die – ohne je programmiert zu haben – einfach die Vorteile der Versionskontrolle und der verteilten Datenhaltung nutzen möchen. Und meine Beiträge sollten dazu dienen, auch deren Interessen zu berücksichtigen. Ein offenes und freies Internet ist zu wichtig, als daß wir es den Nerds überlassen könnten.

[Photo (cc): Gabriele Kantel]


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Über …

Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!

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