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Seid ihr alle nicht mehr ganz dicht?

Als ich mich heute morgen durch die Nachrichten steppte, blieb selbst mir als durchaus hartgesottenen Gewohnheitszyniker die Spucke weg. Dreiundfünfzig wohlstandsverwahrloste Schauspielerinnen und Schauspieler, darunter auffallend viele aus dem »Tatort«-Umfeld, verhöhnen in einer breit angelegten Video-Kampagne unter dem Hashtag #allesdichtmachen das Leid der Corona-Erkrankten und stellten sich selbst als leidende Opfer einer »Corona-Dikatatur« dar.

Das muß man sich mal vorstellen: Schauspielerinnen und Schauspieler wie Ulrich Tukur, Volker Bruch, Meret Becker, Ulrike Folkerts, Richy Müller, Heike Makatsch oder Jan Josef Liefers, ausgestattet mit guten Fernsehverträgen und versorgt mit regelmäßigen Tests, ziehen zynisch über die Menschen her, die wirklich unter dem Jojo-Lockdown leiden und in deren Umfeld Angehörige und Nachbarn schwer erkranken und sterben.

Ulrich Tukor zum Beispiel fordert: »Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz. Nicht nur Theater, Cafés, Schulen, Fabriken, Buchhandlungen, Knopfläden nein, auch alle Lebensmittelläden, Wochenmärkte und vor allem auch all die Supermärkte«, um dann zu dem Schluß zu kommen: »Sind wir erst am Leibe und nicht nur an der Seele verhungert und allesamt mausetot, entziehen wir auch dem Virus und seiner hinterhältigen Mutantenbagage die Lebensgrundlage.« Das mag satirisch gemeint sein, ist aber nur ein ganz ekliger Zynismus pur.

Und Jan Josef Liefers, den ich bis gestern als Schauspieler noch bewundert hatte, bedankt sich bei den Medien, »die seit über einem Jahr unermüdlich verantwortungsvoll und mit klarer Haltung dafür sorgen, daß der Alarm genau da bleibt, wo er hingehört, nämlich ganz, ganz oben.« Das ist ganz klar die Sprache der Corona-Leugner und Covidioten, die auch sofort begeistert reagierten. So schreiben Hendrik Sodenkamp und Anselm Lenz (übrigens auch ein Theatermann) im »Demokratischen Widerstand«, ihrem Zentralorgan für Nazis und Corona-Leugner: »Besonders klar ist die Ansprache des demokratischen Revolutionärs Jan-Josef Liefers, der auch auf unsere Zeitung und die Regierungspropaganda eingeht. […] Wir freuen uns darauf, uns mit den Schauspielern und Künstlern bei kommenden Demonstrationen der Demokratiebewegung unterzuhakeln […]. Wir werden jedenfalls den Sturz des Corona-Regimes, die Inhaftierung der Regierung Merkel und die Wiedereröffnung unserer Theater gemeinsam feiern!« Und Jens Berger von den mittlerweile zur Covidioten-Zentralpostille verkommenen »Nachdenkseiten« jubelt und zieht über die Kritiker der Aktion her. Auch Hans-Georg Maaaßen, der geschaßte Verfassungsschutzchef und natürlich Abgeordnete der AfD finden die Aktion gut und loben sie in höchsten Tönen als »intelligenten Protest«. Da hilft es nicht mehr, daß Herr Liefers auf Twitter ein halbgares, weinerliches Dementi liefert und darin meint, mit Rechten habe er doch nichts gemein. Doch Herr Liefers, wer sich die Argumente von Nazis zu eigen macht, ist ein Nazi.

Immerhin Heike Makatsch hat die Notbremse ge- und ihr Video zurückgezogen. Es war allerdings auch besonders eklig. (Frau Makatsch, das ist Internet-Lektion Nummer 1: Was einmal im Netz ist, bleibt im Netz, Ihre neuen Nazi- und Covidioten-Freunde haben den Clip nämlich schon mindestens dutzendmal auf ihren Kanälen geteilt und euphorisch gefeiert.)

Kleiner Fakt am Rande: Der Mann hinter der Agentur, die die Kampagne #allesdichtmachen initiiert hatte, schrieb im August 2020 auf seinem Instagram-Account über Menschen, die Maßnahmen gegen Corona gutheißen: »(…) Der Ausdruck #Coronazi ist somit absolut gerechtfertigt…« Das hat übrigens Pro7 herausgefunden, ich hätte nie gedacht, daß ich diesen Sender mal wegen investigativer Recherche loben müßte.

War sonst noch was? Ach ja, Nora Tschirner ist meine neue Heldin. Sie warf den Akteuren der Kampagne »Handeln aus Langeweile und Zynismus vor« und hielt die ganze Aktion für »unfuckingfassbar«. Wer solch schöne Wörter in die Welt setzt, muß trotz Leistungsschutzrechtprotest verlinkt werden.


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Über …

Der Schockwellenreiter ist seit dem 24. April 2000 das Weblog digitale Kritzelheft von Jörg Kantel (Neuköllner, EDV-Leiter Rentner, Autor, Netzaktivist und Hundesportler — Reihenfolge rein zufällig). Hier steht, was mir gefällt. Wem es nicht gefällt, der braucht ja nicht mitzulesen. Wer aber mitliest, ist herzlich willkommen und eingeladen, mitzudiskutieren!

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